
„Dieser Entwurf ist eine Gefährdungsanzeige für die Versorgung – keine Reform!“
Referentenentwurf für eine Apothekenreform stößt auf massive Kritik beim Landesapothekerverband Baden-Württemberg
Stuttgart – Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) lehnt zentrale Bestandteile des aktuellen Referentenentwurfs des Bundesgesundheitsministeriums für eine Apothekenreform entschieden ab. Die geplanten Maßnahmen seien „weder Reform noch Fortschritt, sondern ein Rückbau des Apothekensystems und der Arzneimittelversorgung in Deutschland“, so LAV-Präsidentin Tatjana Zambo.
1. Klares „Nein“ zur geplanten „Apotheken light“ ohne Apotheker vor Ort
Der Entwurf sieht vor, Apotheken zeitweise ohne approbierte Leitung und die Anwesenheit einer Apothekerin oder eines Apothekers zu betreiben. Die Leitung sollen speziell fortgebildete PTAs übernehmen, so die Planungen. „Eine Apotheke ohne Apotheker ist wie eine Arztpraxis ohne Arzt. Das geht gar nicht! Was hier als Flexibilisierung und Sparpotential verkauft wird, ist in Wahrheit die Schleifung des Heilberufs Apotheker unter dem fadenscheinigen Deckmantel der Versorgungssicherung“, erklärt LAV-Präsidentin Zambo. „Das wird mit uns nicht zu machen sein und wir werden eine solche Regulierung aufs bitterste bekämpfen.“
2. Keine Honoraranpassung trotz Inflation und Mehrbelastung
Die Vergütung der Apotheken bleibt im Referentenentwurf faktisch eingefroren – und das im dreizehnten Jahr in Folge und trotz anders lautender, konkreter Zusagen im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien. Die LAV-Präsidentin zeigt sich maximal enttäuscht und ist verärgert: „Wir fühlen uns maximal verschaukelt und verkauft. Über 1.000 Apothekenschließungen allein in den letzten beiden Jahren belegen eindeutig, dass das System Apotheke massiv und tatsächlich dramatisch unterfinanziert ist. Wir waren durch den Koalitionsvertrag guter Hoffnung, dass die Politik hier endlich entgegensteuern wird. Aber es passiert wieder nichts. Ohne angemessene Anpassung unserer Honorierung ist jede weitere Forderung an die Apotheken politischer Zynismus. Wer ständig neue Aufgaben verteilt, aber die wirtschaftliche Grundlage verweigert, plant bewusst das Ausbluten eines kompletten Versorgungsbereichs.“
3. Zweigapotheken als Notnagel statt echte Stärkung ländlicher Strukturen
Anstatt bestehende Apotheken und damit eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu stabilisieren, sollen verstärkt sogenannte Zweigapotheken erlaubt werden. Tatjana Zambo: „Dieser Entwurf behandelt Landregionen wie weiße Flecken, die man notdürftig überpinselt. Statt echte und vollversorgende Apotheken zu stärken und zu stabilisieren, will das Ministerium Apotheken zweiter und dritter Klasse schaffen – mit minimalen Öffnungszeiten und stark reduziertem Leistungskatalog. Das ist Versorgung nach Kassenlage und hat mit ernst gemeinter Sicherung der Arzneimittelversorgung nichts mehr zu tun.“
4. Bürokratieabbau als Feigenblatt
Während an einigen Stellen in den BMG-Planungen von bürokratischen Erleichterungen gesprochen wird, fehlen die entscheidenden strukturellen Entlastungen. Tatjana Zambo meint: „Man streicht ein Formular und feiert das als historischen Befreiungsschlag. Tatsächlich bleiben die Regulierung wie Beton und gleichzeitig die Finanzierung des Apothekensystems wie ein Tropf. Das ist keine Reform, das ist Realitätsverweigerung.“
5. Öffnungszeiten-Flexibilisierung ohne Gegenwert
Der Entwurf sieht vor, dass Apotheken zukünftig mit reduzierten Öffnungszeiten und weniger Präsenzzeit arbeiten können und verkauft diese Regelung als Einsparmodell. Für Zambo ein Feigenblatt: „Wenn Öffnungszeiten verkürzt werden sollen, weil Apotheken sich Personal nicht mehr leisten können, ist das kein Fortschritt, sondern ein Offenbarungseid der politisch Verantwortlichen. Hier zeigt sich, dass man sehenden Auges ein hocheffizientes, aber durch die Politik kaputtgespartes Versorgungssystem Apotheke kaum noch aufrechterhalten kann und es entsteht förmlich der Eindruck, der Staat räume die Versorgung ab, bevor sie ihm unter den Händen kollabiert. Das alles hat nichts mit Weiterentwicklung oder Stabilisierung zu tun – im Gegenteil.“
6. Erweiterungen von Kompetenzen
Zwar enthielten die BMG-Planungen auch gute Ansätze für des Ausbau erweiterter Kompetenzfelder für Apothekerinnen und Apotheker, die das Gesundheitssystem positiv entwickeln würden, meint Zambo mit Blick auf ein Mehr an Impfmöglichkeiten oder neue pharmazeutische Dienstleistungen. „Ohne eine solide Finanzierung der Basis-Leistungen der Apotheken werden wir aber solche erweiterten Kompetenzfelder nicht füllen können. Uns fehlt schlicht und ergreifend das wirtschaftliche Fundament für mehr Personal und nötige Investitionen in diese Bereiche. Insofern ist der inhaltliche Ansatz gut und richtig, die Ausgestaltung bleibt aber durch fehlende Honoraranpassungen schon im Ansatz auf der Strecke.“
Zusammenfassend fordert der Landesapothekerverband einen Stopp dieser Planungen und einen politischen Neuansatz: „Genau wie die Entwürfe der Vorgängerregierung für eine Apothekenreform löst auch dieser Entwurf die Kernprobleme unserer Branche nicht. Im Gegenteil: Er erzeugt neue. Die Apotheken brauchen keine Übergangslösungen, sondern klare Perspektiven. Wir fordern eine echte Reform, keine Aushöhlung unserer flächendeckenden Versorgung und unseres Berufsstands!“