
Die Arzneimittelversorgung der Zukunft
Interview mit Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland
Deutschland steckt gesundheitspolitisch in einer Phase des Umbruchs mit großen Herausforderungen – ganz egal, wer die Leitung des Bundesgesundheitsministeriums nach der Regierungsbildung innehaben wird. Gerade auch der Bereich der Arzneimittelversorgung durch Apotheken und Arzneimittelhersteller ist neben der ambulanten und stationären ärztlichen Versorgung eine wesentliche Säule unseres Gesundheitssystems.
Pharma Deutschland ist der größte Branchenverband der Pharmaindustrie in Deutschland und vertritt rund 400 Mitgliedsunternehmen. Dazu gehören neben globalen Pharmaunternehmen auch kleine und mittelständische Unternehmen. Gemeinsam stellen sie für Deutschland fast 80 Prozent der rezeptfreien und zwei Drittel der rezeptpflichtigen Medikamente bereit. Die LAV-Nachrichten haben Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland zu den aktuellen und künftigen Herausforderungen befragt.
Frau Brakmann, Pharma Deutschland ist einer der wichtigsten und gewichtigsten Partner auch der Apothekerschaft im Bereich der OTC- und Rx-Arzneimittel. Was zeichnet die enge und verlässliche Zusammenarbeit aus?
Ganz klar, die gegenseitige Wertschätzung und das Verständnis füreinander. Die Apotheke ist für die Patientenberatung ein unverzichtbarer Teil des Gesundheitssystem. Für uns ist die Apothekerschaft außerdem ein wichtiger Verbündeter bei vielen gesundheitspolitischen Fragen. In der Arbeit vieler unserer Ausschüsse spielen Apotheken eine wichtige Rolle. Als „Point of Sales“, bei der Arzneimittelsicherheit oder beim Thema Impfungen. Wir arbeiten gemeinsam daran, unsere Positionen, zum Beispiel beim Thema Eigenverantwortung und Selbstmedikation, ins Gesundheitssystem zu bringen. Unsere lange Partnerschaft bedeutet auch, die Umbrüche und Veränderungen des Gesundheitsmarktes zu begleiten. Ich denke da beispielsweise an die Ausweitung digitaler Angebote von Vor-Ort Apotheken. Dafür steht man im engen Austausch und arbeitet gemeinsam an Lösungen.
Gemeinsam müssen sich Hersteller und aber auch die Apotheken immer wieder erklären, warum sie nicht für Kostensteigerungen im Gesundheitswesen verantwortlich sind. Was sind da Ihre schlagkräftigsten Argumente und wie vermitteln sie diese an die Politik?
Es ist in der Tat ärgerlich, dass die Kassen in der öffentlichen Kommunikation regelmäßig dazu neigen, ihre Misere anhand angeblich steigender Arzneimittelkosten zu illustrieren. Wir teilen nicht die Ansicht, dass die Arzneimittelausgaben ein Problem sind. Schaut man auf den Anteil von Arzneimittel an den GKV-Gesamtausgaben, ist dieser in letzten Jahren konstant geblieben ist. Das ist umso bemerkenswerter, denn es gibt teilweise spektakuläre Fortschritte bei neuen Therapien und die Gesellschaft wird immer älter. Beides sind übrigens sehr positive Entwicklungen, die nicht nur unter Kostengesichtspunkten betrachtet werden sollten. Auch die durchschnittlichen gewichteten Arzneimittelpreise sind nahezu konstant geblieben. Der Ausgabenanstieg für Arzneimittel im Jahr 2024 ist durch gesetzliche Maßnahmen, wie das Absenken des Herstellerabschlages für Fertigarzneimittel von 12 auf 7 Prozent begründet. Gute, qualitativ hochwertige Arzneimittel haben ihren Preis, und insbesondere für die Basisversorgung kann dieser auch nicht noch weiter gesenkt werden. Wir müssen daher die möglichen Effizienzreserven im aktuellen GKV-System besser nutzen. Arzneimittelkosten können beispielsweise durch eine Ausweitung der Selbstmedikation und einem stärkeren Fokus auf Prävention reduziert werden.
Stichwort Lieferengpässe: Auch hier sind sowohl die Apotheken wie auch Hersteller immer wieder gefragt, die Ursachen zu erläutern. Worin liegen Ihrer Ansicht nach die Probleme für anhaltende Lieferschwierigkeiten begründet?
Ich sehe hier zwei Probleme, die den anhaltenden Lieferengpässen in der Breite strukturell zugrunde zu Grunde liegen. Das ist einmal eine Marktverengung bei bestimmten Medikamenten aufgrund der nationalen gesetzlichen Vorgaben und des hohen Preisdrucks für Hersteller. Daraus entsteht eine Lieferantenabhängigkeit vom preiswerten nicht europäischen Ausland. Rabattverträge der Krankenkasse mit wenigen Unternehmen führen ebenfalls zu einer Konzentration auf wenige Marktbeteiligte. Fällt einer aus, kann das national nicht ohne weiteres ersetzt werden.
Was ist aus Sicht von Pharma Deutschland nötig, um Lieferbedingungen und Lieferketten stabil aufzustellen – welche Forderungen haben Sie an die Politik?
Aus unserer Sicht muss es mehr Anreize geben, um Produktionskapazitäten in Deutschland und Europa zu halten und den Herstellern wieder Luft zu geben, ihre Lieferketten zu diversifizieren. Ein wichtiger Schritt wäre es, den Preis nicht mehr als dominierenden Faktor bei Rabattverträge zu haben, sondern auch qualitative Vorgaben. Der neu vorgestellte Critical Medicines Act der Europäischen Kommission geht da bezüglich kritischer Arzneimittel schon in eine richtige Richtung. Darüber hinaus sind kurzfristige Preisanpassungsmöglichkeiten für Hersteller nötig, damit diese schneller auf gestiegene Herstellungskosten reagieren können. Langfristig braucht es eine nachhaltige Preisgestaltung, um den strukturellen Ursachen von Lieferengpässen entgegenzuwirken.
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