Recht Urteil pixa law-4292803 1920
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Compliance – so oder so für Apotheken wichtig

Fehlverhalten im Gesundheitswesen wird geahndet
Erschienen am 15. August 2024 | Letzte Änderung 15. August 2024

Compliance – das wird von Pharmazeuten mit Therapietreue übersetzt. Doch auch die Juristen haben den Begriff für sich entdeckt und meinen damit die rechtlich ordnungsgemäße systematische Organisation eines Unternehmens mit dem Ziel, eine zivil- oder sogar strafrechtliche Haftung des Unternehmens und seiner Organe zu vermeiden. Der Vorstand des Landesapothekerverbandes hat Rechtsanwalt Heiko Caspers mit der Umsetzung eines Compliance-Management-Systems im Verband beauftragt. Denn: Compliance spielt r auch im Gesundheitswesen eine immer wichtigere Rolle. Seit einiger Zeit haben sich die Krankenkassen dieser Thematik angenommen und sogenannte Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen eingerichtet. Dabei sind sie verschiedenen Fällen auf der Spur. Schwerpunktthemen sind:

  • Abrechnung von nicht erbrachten Leistungen („Luftleistungen“/„Luftrezepte“; § 305 SGB V)
  • Abrechnung von nicht mit einer notwendigen Qualifikation erbrachten Leistungen
  • Unzulässige Zusammenarbeit von Leistungserbringern und Vertragsärzten (§ 128 SGB V)
  • Zuweisungen von Versicherten gegen Entgelt
  • Urkundenfälschung, beispielsweise. Verordnungs-, Rezept- oder Zertifikatsfälschung
  • Leistungsmissbrauch, beispielsweise Missbrauch von Krankenversichertenkarten.

Hier einige Fallbeispiele aus dem Bericht (Quellenangabe siehe unten):

Fall 1: „Im Rahmen der Apothekenabrechnungsprüfung (Juli 2017) fiel auf, dass einem dialysepflichtigen Versicherten durch mehrere Arztpraxen – zum Teil sogar taggleich – Teststreifen zur Bestimmung des Gerinnungswertes des Blutes verordnet wurden. Einmalig ließ sich der Versicherte diese Teststreifen sogar taggleich durch fünf Arztpraxen verordnen. Durch diese Parallelversorgung standen ihm alleine im Jahr 2016 über 2.000 Teststreifen zur Verfügung. In der Regel wird nur einmal wöchentlich getestet, bei stark schwankenden Werten auch mehrmals. (…)

Bekanntermaßen werden immer wieder Teststreifen (meist online) weiterverkauft. Daher wurde – nachdem die Rückmeldung der ausstellenden Ärztinnen und Ärzte vorlag – der Vorgang zur Anzeige gebracht. Der Versicherte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Ihm wurde auferlegt, den verursachten Schaden über drei Jahre in monatlichen Teilbeträgen zu jeweils 300,00 Euro, insgesamt 10.800,00 Euro, wiedergutzumachen.

Nach Ende der Bewährungszeit fiel auf, dass sich der Versicherte wieder von einem Arzt die vorgenannten Teststreifen verordnen ließ. Die vom Arzt verordnete Menge war unwirtschaftlich. Daher wurden die Verordnungen durch einen Prüfantrag beanstandet, der Antrag wurde positiv beschieden, und es erfolgte eine weitere Schadensrückführung in Höhe von 1.650 Euro.

Fall 2: Im März 2020 wurde eine AOK von einem Dienstleistungsteam Pflege über die Beschwerde eines Versicherten informiert, der von einem Sanitätshaus für das von der AOK genehmigte Pflegebett eine Privatrechnung in Höhe von 80 Euro erhalten hatte. Im Rahmen der Recherchen fiel auf, dass das Sanitätshaus auf seiner Homepage mit einer Filiale warb, die nicht über eine nach dem SGB V erforderliche Präqualifizierung (§ 126 SGB V) verfügte und vertraglich nicht mit der AOK verbunden war. Die Inhaber des Sanitätshauses (Rechtsform GbR) wurden zu einem Gespräch eingeladen. Während des Gesprächs berichteten sie, dass das Sanitätshaus im April 2017 seinen Betriebssitz verlegt hatte. Die alte Präqualifizierung sei im Februar 2017 ausgelaufen. Die Neubeantragung der Präqualifizierung sei im Umzugsstress versehentlich untergegangen. Nach dem Schreiben der AOK habe man umgehend eine neue Präqualifizierung beantragt und problemlos bekommen.
In dem vertragslosen Zustand von Februar 2017 bis Juni 2021 hätte das Sanitätshaus keine Leistungen mit der AOK abrechnen dürfen. Die Inhaber des Sanitätshauses zeigten sich zur Schadensregulierung bereit. Es wurde eine Ratenzahlungsvereinbarung über 90.000 Euro abgeschlossen.
Da die Inhaber des Sanitätshauses deutlich machen konnten, dass sie zu keinem Zeitpunkt bewusst Fehlabrechnungen vorgenommen hatten, sah die AOK von einer Strafanzeige ab. (…)

Fazit und Zusammenfassung:
Während es in der Pharma-Industrie eigene Compliance Stellen gibt, fällt diese Aufgabe in der Apotheke eher den Inhabern zu. Qualitätsmanagement, externe Dienstleister im Bereich des Arbeits- und Datenschutzes sowie des Steuerrechts, sowie ein enger Austausch mit der Tax- und Rechtsabteilung des Landesapothekerverbandes sind die Fundamente für einen normenkonformen Apothekenbetrieb. Auch Kenntnisse des Berufsrechts sind wichtig: Man könnte das Edikt von Salerno im Jahr 1231, also die gesetzlich fixierte Trennung der Berufe Arzt und Apotheker, als eine der ersten Compliance-Regeln betrachten, die eine Interessenkollision im Gesundheitssystem auflöste. Kooperationen in diesem Segment sollte immer besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Die geschilderten Fälle entstammen den Berichten des Vorstandes an den Verwaltungsrat „Arbeit und Ergebnisse der Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2021

Den ganzen Artikel mit einem weiteren Beispiel aus der Praxis lesen Sie hier.