Der Kurswechsel von NOVENTI läuft nach Plan
Interview mit Mark Böhm und Frank Steimel, Vorstände der NOVENTI Health SE
Vor gut einem Jahr im März 2023 hat der LAV in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung beschlossen, durch finanzielle Darlehen an den FSA als Trägerverein dem Münchner Unternehmen NOVENTI Health SE zu helfen, ein ambitioniertes Restrukturierungsprogramm einzuleiten. Mit von der Partie: Der Bayerische Apothekerverband. Denn gemeinschaftlich war man sich insbesondere der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der NOVENTI Gruppe für die Sicherstellung der standeseigenen Apothekenabrechnung bewusst. Mit einer strukturierten und über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg angelegten Neuausrichtung unter dem Titel „Fokussierung 2025“ hat NOVENTI seither die Basis für eine erfolgreiche Zukunft gelegt. Verantwortlich für den Veränderungsprozess sind Mark Böhm (CEO und Vorstandsvorsitzender) und Frank Steimel (CFO und stellvertretender Vorsitzender), die für ein Interview zur Verfügung standen:
Starten wir doch gleich mit der Zusammenfassung: Ist die Neustrukturierung im Plan?
Frank Steimel: Ja. NOVENTI hat vor kurzem seinen Jahresbericht 2023 inklusive der Geschäftszahlen veröffentlicht. Die Ergebnisse übersteigen klar unsere Planungen und zeigen eindrücklich, dass wir durch unser Programm „Fokussierung 2025“ eine positive Wende einleiten konnten. Durch die konsequente Umsetzung des Maßnahmenkatalogs, der in enger Zusammenarbeit mit allen Gremien, insbesondere mit unserem Eigentümer, dem FSA e. V., erarbeitet und beschlossen wurde, erzielen wir seit Mitte des vergangenen Jahres wieder durchgehend positive Monatsergebnisse: Ende 2023 lagen wir deutlich über den Planzahlen und konnten das Jahr mit einem wesentlich geringeren Verlust abschließen als zunächst kalkuliert. Mit unseren aktuellen Ergebnissen übersteigen wir ebenso unsere eigenen Planungen: Wir haben unsere Einnahmen maßgeblich gesteigert und die Ausgaben gleichzeitig signifikant reduziert. Für das laufende Geschäftsjahr schreiben wir bereits schwarze Zahlen. Wir wissen aber auch, dass wir jetzt nicht nachlassen dürfen, denn wir wollen nachhaltig erfolgreich sein. Schon beim Gesamtjahresergebnis für 2024 erwarten wir wieder einen Gewinn.
Viele Schritte sind beherzt gegangen worden. Welche davon waren die größten und wo gab oder gibt es die meisten Schwierigkeiten?
Mark Böhm: Uns von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu trennen, war für uns die schwerste Entscheidung, die wir zu treffen hatten. Personalmaßnahmen sind immer die Ultima Ratio. Leider war der Schritt dennoch notwendig. In der Vergangenheit lief in unserem Unternehmen viel parallel, Synergien wurden kaum genutzt, Silos sind entstanden. NOVENTI war nicht mehr zukunftsfähig und der schmerzliche Schritt, uns von Personal zu trennen, blieb daher nicht aus. Durch die konsequente Verfolgung unserer Neuausrichtung sind die Personalmaßnahmen deutlich geringer ausgefallen, ein weiterer Stellenabbau ist nicht vorgesehen. (…)
Den Personalabbau haben Sie bereits thematisiert. Seither kommt es vor, dass vereinzelt Apothekerinnen und Apotheker über unzureichenden Support klagen. Können Sie diese Eindrücke nachvollziehen und wie ist hier der aktuelle Stand?
Mark Böhm: Die Zufriedenheit unserer Kundinnen und Kunden, darunter rund 8.000 Apotheken in Deutschland, hat für uns oberste Priorität. Im Zuge der „Fokussierung 2025” haben wir insbesondere unseren Kundenservice in monatelanger Arbeit neu aufgestellt und neu strukturiert. Seither haben sich die Kennzahlen stark verbessert. Wir liegen seit Januar dieses Jahres in der Erreichbarkeit sogar über dem Branchenschnitt und übertreffen unsere Ziele. Die Notfallhotline ist stets erreichbar. Möglich gemacht haben das unter anderem ein optimiertes Ticket-System, dedizierte Expertenteams sowie die vollständige Optimierung der Notfallhotline. Innerhalb eines Jahres wurden massive Fortschritte erzielt sowie wichtige Meilensteine erreicht, darunter der Ausbau unserer Kundenplattform mein-NOVENTI.de. (…)
Das E-Rezept war in den vergangenen Monaten war es DAS Thema für Apothekerinnen und Apotheker. Wie ist die Umstellung bei Ihnen als großer Abrechner verlaufen?
Mark Böhm: Als apothekereigenes Unternehmen war es uns ein wichtiges Anliegen, alles zu tun, um die Einführung des E-Rezepts in den Apotheken möglichst reibungslos zu gestalten. (…) Beispielsweise war das Ticket-Aufkommen im Kundenservice gerade zu Beginn des Jahres extrem hoch. Insgesamt mussten unsere Mitarbeitenden allein im Januar dieses Jahres 85 Prozent mehr Tickets im Vergleich zum durchschnittlichen Aufkommen bearbeiten. Es ist der Neustrukturierung des Kundenservice inklusive neuer und effizienterer Prozesse sowie unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verdanken, dass die Tickets trotz erhöhten Aufkommens zeitnah geschlossen werden konnten. Mittlerweile haben wir seit Jahresbeginn bis einschließlich Juni über 81 Millionen E-Rezepte abgerechnet. Die anfängliche Verunsicherung zur Einführung ist verschwunden, das E-Rezept funktioniert. Wir sehen den Wandel des Gesundheitssystems als Chance, weil gerade die Digitalisierung neue Potenziale bringt – sei es bei administrativen Aufgaben, der hybriden Apotheke oder der fundierten Vor-Ort-Beratung.
(…)
Gibt es auch Zukunftsprojekte? Was steht auf dem Zettel und wird NOVENTI in neue Produkte oder Technologien investieren?
Frank Steimel: Die Transformation ist unser wichtigstes Zukunftsprojekt. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass unsere Maßnahmen greifen, doch die „Fokussierung 2025” ist noch nicht abgeschlossen – wir sind mittendrin. Unsere Energie stecken wir mit aller Konsequenz und über alle Bereiche hinweg in die Neuaufstellung unserer Organisationsstruktur, die Prozessoptimierung sowie die nötigen Anpassungen im Produktportfolio. Natürlich haben wir dabei stets den Markt und technologische Entwicklungen im Blick. Investitionen in ausgewählte Innovationsprojekte, mit denen NOVENTI auch Entwicklungen im Gesundheitsbereich aufgreifen kann, sind weiterhin im richtigen Maß und nach eingehender Prüfung möglich. Ziel der Fokussierung ist es, unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit die Zukunftsfähigkeit auszubauen. Dafür ist der Fokus aufs Innere, aber auch der Blick über den Tellerrand hinaus nötig. Und das alles immer mit dem Blick auf das Wichtigste – unsere Kundinnen und Kunden.
Kurzprofil Mark Böhm:
Mark Böhm ist CEO und Vorstandsvorsitzender der NOVENTI Health SE. Nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik begann Mark Böhm seine Karriere im Vertriebscontrolling bei der Alliance Healthcare Deutschland GmbH und ist über verschiedene Stationen bis zum Vertriebsdirektor und Mitglied der Geschäftsleitung aufgestiegen. In seinen früheren Rollen verantwortete er unter anderem als Ressortleiter Commercial Control die Bereiche Vertriebssteuerung, Handelskalkulation und Prozessmanagement und war Verkaufsleiter der Niederlassung von Alliance Healthcare in Hagen. Auch die Kooperationsmarke Alphega steuerte Böhm. Nach dem Joint Venture von Alliance Healthcare und GEHE wurde er Anfang 2021 zum Vertriebsdirektor für beide Unternehmen ernannt.
Kurzprofil Frank Steimel
Frank Steimel ist CFO und stellvertretender Vorsitzender der NOVENTI Health SE. Der diplomierte Bankbetriebswirt (BA) und Certified Manager in Banking (ADG/SHB) der Akademie Deutscher Genossenschaften e.V. leitete mehrere Jahre den Zentralbereich Kredit mit Marktfolgezuständigkeit der Deutschen Apotheker- und Ärztebank eG (apoBank). Er kennt das Finanzierungsgeschäft in allen Details und hat die Bank in Gremien, insbesondere gegenüber externen Aufsichtsbehörden, vertreten.
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