Politik Tellerrand Portrait Nö Bildqülle Nicolas van Ryk
1

Politisch aktiv sein und mitgestalten

Dr. Stefan Noé engagiert sich seit Jahren bei der FDP in Bund und Land
Erschienen am 1. Juli 2024 | Letzte Änderung 1. Juli 2024

Die Apothekerschaft ist seit Monaten politisch so aktiv wie schon lange nicht mehr. Auf mehrere Protesttage folgten zahllose Gespräche der Standesvertretung und von vielen Mitgliedern mit politischen Entscheidungsträgern. Und dieser Austausch hält an! Apotheker Dr. Stefan Noé ist noch einen Schritt weiter gegangen: Er ist im Jahr 2018 aktiv in die Politik eingestiegen. Als FDP-Mitglied ist er Ortschaftsrat und Fraktionsvorsitzender der FDP in Karlsruhe-Durlach, er ist stellvertretender Kreisvorsitzender der FDP-Karlsruhe Stadt und er arbeitet mit im Landesfachausschuss und Bundesfachausschuss Gesundheitspolitik der FDP. Die LAV-Nachrichten haben bei ihm nachgefragt, welchen Stellenwert die politische Arbeit für ihn hat, was ihn erfüllt und wo er aber auch an Grenzen stößt.

Herr Noé, Apotheker und Apothekerinnen in der Politik lassen sich an einer Hand abzählen. Was meinen Sie, warum das so ist? Was hält den Berufsstand vielleicht davon ab, politische Ämter zu übernehmen – und was war Ihre Antriebsfeder, sich zu engagieren?
Wir wissen alle, dass die Berufstätigkeit als Selbstständiger zeitlich fordernd und anspruchsvoll ist. Ich kenne aber durchaus einige Kolleginnen und Kollegen, die sich im weiteren Sinne politisch engagieren. Sei es in der Standespolitik als auch vor Ort in der Kommunalpolitik. Ich denke wir Apothekerinnen und Apotheker haben unser Ohr ganz nah an der Bevölkerung. Da liegt es doch eigentlich nahe, sein direktes Lebensumfeld politisch mitgestalten zu wollen. Als ich nach 17 Jahren beruflicher Tätigkeit als Apotheker in Forschung und Industrie in meiner Heimatstadt mit einer typischen Stadtteil-Apotheke „sesshaft“ wurde, war für mich schnell klar, dass ich mich kommunal-politisch engagieren wollte. Ich habe mir mehrere bürgerliche Parteien angeschaut und die FDP wurde meine politische Heimat, denn sie entspricht am besten meiner liberalen Lebenseinstellung.

**Sie machen in der Hauptsache Lokalpolitik – und wir alle wissen, wie essentiell die Gesundheitsversorgung vor Ort ist. Gleichzeitig ist gesundheitspolitische Gestaltung aber Bundes- oder Ländersache. Aus Ihrer Erfahrung: Haben die einzelnen Kommunen überhaupt einen Einfluss auf die Gesundheitsversorgung vor Ort – mal abgesehen von Krankenhäusern in kommunaler Trägerschaft? **
Natürlich werden die „großen Entscheidungen“ für unseren Berufsstand in Berlin und auf Landesebene in Stuttgart getroffen. Doch die Pandemie hat auch der Verwaltung in den Kommunen gezeigt, wie intensiv sich Apotheken vor Ort in die lokale Patientenversorgung einbringen, beispielsweise durch Teststellen oder Impfangebote. Dies hat das Ansehen der Apotheken auch in der Kommunalpolitik und Verwaltung weiter gestärkt. Und auch auf lokaler Ebene können wir im Gemeinderat politisch einiges bewegen. Ein Beispiel aus unserer Stadt: Viele unserer Patienten sind wegen ihrer eingeschränkten Mobilität auf das Automobil angewiesen. Parkplätze sind in Städten häufig Mangelware. Wenn nun eine Mehrheit in Verwaltung und Kommunalpolitik der Meinung ist, dass man die urbane Bevölkerung zum Umstieg auf das Fahrrad „motivieren muss“ in dem man zahlreiche Parkplätze streicht, ist es äußerst wichtig, die Bedenken der Heilberufe und Händler politisch zu artikulieren. Hier gilt es, kommunalpolitisch Kompromisse zu erarbeiten und notfalls auch zu erstreiten. (...)

Sie arbeiten im FDP-Bundesfachausschuss für Gesundheit mit. Was macht dieser Ausschuss, welche Rolle ist Ihnen dort übertragen und steht die schwierige Situation der Apotheken auf der Agenda dieses Ausschusses?
Die Fachausschüsse der FDP auf Landes- und auf Bundesebene beraten die Parteiführung und Gremien bei fachpolitischen Themen, wie zum Beispiel der Gesundheitspolitik. Die Fachausschüsse gestalten durch ihre politische Arbeit, durch das Verfassen von Anträgen für die Parteitage die Politik der Partei mit und beraten die Abgeordneten des Bundestages und der Landtage.
(...)

Der BFA kann zudem weitere Mitglieder als Experten in das Gremium hinzuwählen. So wurde ich als Apotheker mit meiner Erfahrung aus Forschung, Industrie und Offizin-Apotheke Ende 2022 in den BFA der FDP berufen. Seitdem waren die Herausforderungen für uns Apotheker, aber auch die der Ärzte und Zahnärzte und der Kliniken, regelmäßig Thema in den Fachausschüssen. Ich selbst konnte dort unmittelbar nach meiner Berufung die Problematik der Arzneimittel-Lieferengpässe vorstellen und konkrete Lösungsvorschläge unterbreiten, die letztlich auch Eingang in die Gesetzgebung gefunden haben.

Aktuell liegt nun ein Vorschlag der Thüringer FDP zur Zukunft der Apotheken auf dem Tisch, der auch vom baden-württembergischen Landesverband goutiert wurde und der den Apotheken gefallen könnte. Können Sie den Vorschlag kurz skizzieren? Was sagt der FDP-Bundesfachausschuss Gesundheit dazu?
Der Autor des Vorschlags, der Thüringer Landtagsabgeordnete Robert-Martin Montag, engagiert sich schon viele Jahre für die Gesundheitsversorgung vor Ort und ist, wie ich, Mitglied des Bundesfachausschuss Gesundheitspolitik der FDP.
Die Apothekenproteste des vergangenen Jahres haben bleibenden Eindruck gemacht und ihn veranlasst, den Thüringer Apothekern das Versprechen zu geben sich intensiv mit der Vergütungsfrage für die Apotheken auseinander zu setzen – und er hat geliefert:

Der Vorschlag sieht, kurz gefasst Folgendes vor:

  • Erhöhung des Festzuschlags für Fertigarzneimittel auf 10 Euro mit Dynamisierungsoption
  • Anpassung der Handelskomponente für Fertigarzneimittel an die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung
  • Anhebung der Vergütung für Zubereitungen aus Stoffen und des Rezepturzuschlages unter Berücksichtigung eines Dynamisierungsfaktors
  • Staffelung der Anpassung des Kassenabschlags, der zukünftig netto ausgewiesen wird
  • Erhöhung der Vergütung für pharmazeutische Dienstleistungen auf 120 Euro, ebenfalls mit einem Dynamisierungsfaktor
  • Erhöhung der Notdienstgebühr auf 5 Euro zur Förderung der Eigenverantwortung der Patienten
  • Gesetzliche Festschreibung einer Skontomöglichkeit für Rx-Arzneimittel über 3,15 Prozent hinaus

Seit der Veröffentlichung des Vorschlags gibt es sowohl in den FDP-Landesverbänden als auch mit den Gremien im Bund zahlreiche Diskussionen und Initiativen zur Stärkung der Arzneimittelversorgung vor Ort. Dass bei all diesen Diskussionen auch eine Anpassung des Apotheken-Honorars eine Rolle spielt, versteht sich von selbst.

Hat der Vorschlag der Thüringer Liberalen eine realistische Chance im geplanten Gesundheitsversorgungsstrukturgesetzt von Karl Lauterbach noch Einlass zu finden?
Zunächst müssen wir einmal festhalten, dass Karl Lauterbach mit seinem SPD- geführten Gesundheitsministerium in der Pflicht ist, ein entsprechendes Reformgesetz vorzulegen. Unsere FDP-Fraktion wartet Stand heute (Mai 2024) noch immer darauf. Außerdem ist Fakt, dass kein Gesetzesentwurf, der die Schreibtische des Ministeriums verlässt, unverändert aus der parlamentarischen Arbeit der Regierungsfraktionen und des Bundestags herauskommt.

Aus Ihrer Sicht: Was können und vielleicht sogar müssen Apotheken vor Ort tun, um für ihre berechtigten Forderungen nach einer Honoraranpassung einzustehen? Warum ist es aus Ihrer Erfahrung wichtig, immer und immer wieder an die Politik heranzutreten?
Auch wenn wir Apothekerinnen und Apotheker mittlerweile ein beachtliches Standing bei der Politik haben, ist es wichtig, dass wir auch weiterhin den konstruktiven Dialog mit allen Parteien führen. Gerade in Baden-Württemberg vertraue ich dabei voll auf die Koordination durch unseren LAV und sein professionelles Team. Von dort wurden ja gerade auch alle Apotheken aufgerufen, Politikerinnen und Politiker zu sich in die Apotheke einzuladen. Es gibt einiges Unterstützungsmaterial vom LAV hierzu. So können Sie gut vorbereitet ihrem Bürgermeister, Landrat oder auch Landtags- und Bundestagskandidaten zeigen, was Sie in der Vor-Ort-Apotheke alles leisten.

Zum Abschluss: Mit welchem Appell würden Sie Kolleginnen und Kollegen dazu aufrufen, sich auch parteipolitisch zu engagieren und vielleicht sogar ein Amt anzustreben?
Ich persönlich finde es außerordentlich spannend und erfüllend, meine Stadt, das Lebensumfeld meiner Familie und auch die politischen Rahmenbedingungen für unseren Apotheker-Beruf aktiv mitzugestalten: Denn Demokratie lebt vom Mitmachen, nicht vom Meckern!

Mitglieder lesen das ganze Interview hier.