Der neue Rahmenvertrag - Chancen und Anlaufschwierigkeiten

Ein Interview mit LAV-Geschäftsführerin Ina Hofferberth
Webcode V28352 | Erschienen am 13. August 2019

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Frau Hofferberth, der neue Rahmenvertrag, der seit dem 1. Juli gilt, ist Ergebnis von harten, zähen und sehr langen Verhandlungen mit dem Spitzenverband der GKV. Der Rahmenvertrag wird seit dem Inkrafttreten in der Apothekerschaft kontrovers diskutiert – woran liegt das?

Der neue Rahmenvertrag kommt in einer Zeit, in der der Apothekenalltag geprägt ist von der Umsetzung von securPharm und den ständig zunehmenden Lieferengpässen, die die tägliche Arbeit ohnehin schon belasten. Und alles, was jetzt noch an Neuerungen dazukommt, wird verständlicherweise auch erst einmal als Belastung empfunden. Dazu kommt dann natürlich noch die Verunsicherung, bis alle Neuregelungen verinnerlicht sind. Auch die Apothekensoftwarehäuser haben mit den Neuregelungen und deren Abbildung zu kämpfen. Da wird noch etwas Zeit ins Land gehen, bis da alles glatt und reibungslos läuft. Dennoch bin ich der Meinung, dass der neue Rahmenvertrag im Vergleich zu den alten Regelungen deutlich besser und systematischer ist und etliche Erleichterungen für den Apothekenalltag bietet. Geben wir den neuen Regelungen eine Chance in der Umsetzung, so wird die neue Systematik mit der Zeit in der Apotheke zur Routine, geht allen besser von der Hand und wird auch gut im Alltag funktionieren.

Was sind Ihrer Ansicht nach die Errungenschaften, die der neue Rahmenvertrag nun für die Apotheken bringt – und warum kommt das vielleicht in den Apotheken noch nicht als Erleichterung an?

Aufgrund einer Vielzahl von gesetzlichen Veränderungen wie beispielsweise der Packungsgrößenverordnung, hat der alte Rahmenvertrag in vielen Fällen bei der Packungsauswahl nicht mehr gepasst und führte zu Verunsicherung und auch zu großen Retaxrisiken. Dies wurde alles bereinigt.


LAV-Geschäftsführerin Ina Hofferberth
ist Mitglied des Vertragsausschusses und der Verhandlungskommission des Deutschen Apothekerverbandes und war in diesen Funktionen maßgeblich an der Ausgestaltung des neuen Rahmenvertrages nach §129 SGB V beteiligt. Die Verhandlungen mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen zu diesem Vertragswerk dauerten mehrere Jahre.


Ein weiterer Vorteil ist, dass jetzt jede Verordnungszeile für sich betrachtet wird und so zu beliefern ist, wie es der Arzt verordnet hat. In der Vergangenheit musste hier immer geprüft werden, ob die pro Zeile und über alle Verordnungszeilen hinweg verordnete Packungsanzahl durch andere Packungsgrößen ersetzt werden kann, die insgesamt wirtschaftlicher waren. Dies hat in der Vergangenheit auch dazu geführt, dass manchmal nur eine Packung abgegeben werden durfte. Und lassen Sie uns nicht vergessen, dass viele Retaxationen auf einer nicht rahmenvertragskonformen Umsetzung dieser Altregelung basierten.

In den meisten Fällen einer unklaren und damit nicht ordnungsgemäßen Verordnung, musste das Rezept in der Vergangenheit zurück in die Arztpraxis zum Ändern. Eine große Errungenschaft ist, dass jetzt die meisten Unklarheiten in der ärztlichen Verordnung durch die Apotheke selbst geheilt werden können – nötig ist nur die telefonische Rücksprache mit dem Arzt (und die Dokumentation dazu), weil der Arzt ja die Verordnungshoheit hat und auch die Verordnungsverantwortung trägt.

Nichtverfügbarkeit, Akutversorgung und pharmazeutische Bedenken gelten jetzt für alle Abgabefälle.

Durch die Unterscheidung in Regel- und Akutversorgung ist die Versorgungsmöglichkeit des Patienten im Akutfall deutlich verbessert worden.

Die Nicht-Lieferfähigkeit, die früher noch mit einem Papierbeleg vom Großhändler oder Hersteller nachgewiesen werden musste, kann jetzt schnell und elektronisch über die Apotheken-EDV erfolgen: Eine MSV3-Abfrage bei den Großhändlern wird durchgeführt und zu Nachweiszwecken gespeichert. Das ist eine deutliche Entbürokratisierung für den Apothekenalltag.

Und es geht noch weiter mit den Vorteilen: War früher bei der normalen aut idem-Auswahl − also, wenn kein Rabattarzneimittel vorhanden oder lieferbar war − eine der drei preisgünstigsten oder das verordnete Arzneimittel abgebbar und waren diese nicht lieferbar, musste das Rezept zurück in die Arztpraxis. Heute besteht das Auswahlfenster zunächst aus den vier preisgünstigsten Arzneimitteln. Sind diese nicht abgabefähig, weil nicht lieferbar oder weil es pharmazeutische Bedenken gibt, dann ist nicht Schluss mit der Auswahl, sondern es geht weiter Schritt für Schritt zum nächst preisgünstigsten Arzneimittel nach oben. So lange, bis ein abgabefähiges und lieferfähiges Medikament gefunden ist.

Dass das vom Arzt namentlich verordnete Arzneimittel einen Preisanker setzt, der nicht ohne Mitwirken des Arztes überschritten werden darf, war schon immer so, da der Arzt die wirtschaftliche Verantwortung für seine Verordnung trägt. Der Vorteil heute ist aber: Ich kann das Überschreiten des Preisankers telefonisch mit dem Arzt regeln.

Auch hier hilft ein grundsätzliches Gespräch mit dem Arzt, denn durch eine Wirkstoffverordnung bleibt die Apotheke versorgungsfähig bei gleichzeitiger Übernahme der wirtschaftlichen Verantwortung.

Für Unmut sorgt unter anderem das Handling der Großhandelsabfrage auf Verfügbarkeit von Arzneimitteln, bei den Apotheken, die nur einen Großhändler haben. Hier macht die Wartezeit von zwei Stunden bis zur neuerlichen, nötigen zweiten Abfrage die Versorgung von Patienten schwierig und langwierig, sagen Apotheken. Warum ist die Regelung derzeit, so wie sie ist? Und: Wird sich hier vielleicht noch was ändern?

Weniger als zehn Prozent aller Apotheken haben nach unseren Recherchen nur einen Großhändler. Dem GKV-Spitzenverband war es wichtig, dass sichergestellt ist, dass bei einem Großhandel ein abzugebendes Arzneimittel, dessen Lieferfähigkeit nicht besteht, nur weil die Lieferung des Herstellers zwar bereits im Haus, aber noch nicht im Großhandels-Warenwirtschaftssystem verbucht ist, nochmals nachgefasst wird. Deshalb wurde auf der zweimaligen Abfrage in einem gewissen zeitlichen Abstand bestanden. Einige Softwarehäuser bieten bereits eine automatisierte zweite Abfrage an, sodass die Apotheke sich hier nicht mehr darum kümmern muss. Es empfiehlt sich, bei seinem Softwarehaus nach diesem Service nachzufragen.

Das komplette Interview mit Ina Hofferberth lesen Mitglieder in den LAV-Nachrichten 4|2019.