Kaputtsparen
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Apotheken kaputtsparen? Mit uns nicht!

Der Forderungskatalog der Apothekerschaft:
Webcode V212386 | Erschienen am 1. März 2023 | Letzte Änderung 1. März 2023

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Lieferengpässe, Personalmangel, unzureichende Finanzierung und zu viel Bürokratie: Damit muss Schluss sein. Die Apothekerschaft fordert umfangreiche gesetzliche Änderungen, um die ortsnahe Versorgung mit Arzneimitteln nicht weiter zu gefährden. Das fordern wir:

1.

Erhöhung des Fixums in der Arzneimittelpreisverordnung

Das in der Arzneimittelpreisverordnung festgelegte „Fixum“ (derzeit: 8,35 € netto) muss auf 12,00 Euro erhöht werden.

Das Fixum,das zum Ausgleich der fixen Betriebskosten einer Apotheke eingeführt wurde, ist zuletzt 2013 lediglich um 25 Cent erhöht worden. Somit wird die Vergütung der Apotheken praktisch bereits seit 2004 durch die Inflation entwertet und die Apotheken von der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung abgekoppelt. Steigende Kosten, insbesondere Lohnsteigerungen in den Apotheken und die zuletzt stark angestiegenen Energiekosten, bleiben unberücksichtigt – während andere wichtige Versorgungsinstanzen, wie beispielsweise Arztpraxen und Krankenhäuser, Extra-Zahlungen dafür erhalten.

Finanzielle Forderungen aus der Apothekerschaft werden gerne mit dem Verweis auf gestiegene Umsätze während der Corona-Pandemie abgeschmettert. Dem ist einerseits entgegenzuhalten, dass es sich um Sondereffekte handelt, die mit dem Ende der Pandemie wieder entfallen – und im Übrigen durch massive Arbeitsbelastung erkauft sind. Zudem stehen diesen Sondereinnahmen deutlich verringerte Umsätze im normalen Tagesgeschäft gegenüber, da aufgrund der Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen während der Pandemie viele Arzneimittel deutlich weniger nachgefragt wurden. Andererseits sind gestiegene Umsätze nicht mit gestiegenen Gewinnen gleichzusetzen. Ganz besonders gilt dies in der aktuellen Phase massiver Inflation sowie gestiegener Energiekosten und Tariflöhne. Die Argumentation mit Durchschnittswerten verzerrt das tatsächliche Bild und täuscht zudem über erhebliche regionale Unterschiede in der wirtschaftlichen Situation hinweg. Schließlich müssen die Apothekenberufe für den pharmazeutischen Nachwuchs attraktiv bleiben, um die wohnortnahe Versorgung mit lebenswichtigen Arzneimitteln auch in Zukunft zu sichern. Qualifizierte Arbeit ist eben nicht zum Nulltarif zu haben.

2.

Regelung zur indexierten Erhöhung des Fixums

Dieses Fixum muss durch einen regelhaften Mechanismus jährlich an die Kostenentwicklung angepasst werden, ohne dass es gesonderter Maßnahmen des Gesetz- oder Verordnungsgebers bedarf.

Die bittere Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass auf die Politik in Sachen Apothekenhonorare kein Verlass ist. In der Folge fiel die Zahl der Apotheken in Deutschland in den letzten 15 Jahren von 21.602 auf 18.068 Betriebsstätten Ende 2022. Damit gefährdet die Politik die wohnortnahe Arzneimittelversorgung in Deutschland: Während im europäischen Durchschnitt 100.000 Einwohner von 32 Apotheken versorgt werden, sind es in Deutschland schon heute nur noch 22 Apotheken pro 100.000 Einwohner.

3.

Einführung einer zusätzlichen regelmäßigen Pauschale für jede Betriebsstätte

Diese Pauschale dient der Grundsicherung der Flächendeckung und soll für jede Betriebsstätte gleich hoch sein.

Alle Apotheken tragen zur medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung bei und organisieren die wohnortnahe Versorgung mit lebenswichtigen Arzneimitteln auch da, wo dies wirtschaftlich weniger attraktiv ist. Damit sie diese Aufgabe auch weiterhin flächendeckend erfüllen können, benötigen sie ein Basishonorar, das allerdings zusätzlich zum Fixum gezahlt werden muss.. Nach dem massiven Rückgang der letzten 15 Jahre wird gerade in strukturschwachen Regionen jede einzelne Apotheke benötigt; der Einwand, hier werde mit der Gießkanne gefördert, ist also zurückzuweisen.

4.

Handlungsfreiheit für Apotheken für die schnelle Patientenversorgung

Größere Entscheidungsfreiheiten ermöglichen eine schnelle Versorgung der Patientinnen und Patienten und vermeidet in deren Interesse gefährliche Therapieverzögerungen, insbesondere auch bei Lieferengpässen. Die verordnenden Ärzte werden von bürokratischem und zeitlichem Aufwand entlastet.

5.

Reduzierung von Retaxationsverfahren auf das sachlich gebotene Maß

Vollständige Verweigerung der Bezahlung des Preises des abgegebenen Arzneimittels müssen verboten werden, wenn der/die Versicherte entsprechend der ärztlichen Verordnung versorgt wurde.

Teiltretaxationen sind nicht ausgeschlossen, müssen aber auf den Betrag beschränkt werden, der sich aus dem Zuschlag (Fixum + 3% auf den Apothekeneinkaufspreis) ergibt. Formfehler, die der verordnende Arzt / die verordnende Ärztin verursacht hat, berechtigen nicht zu einer Retaxation. Auch müssen die Apotheken beim Austausch von Präparaten, in Fällen des Engpass-Management, vor Retaxationen geschützt werden.

Bei einer Retaxation verweigert die Krankenkasse die Erstattung eines bereits durch die Apotheke an die Patientin oder den Patienten abgegebenen Arzneimittels. Bei einer sogenannten Nullretaxation bezahlen die Krankenkassen überhaupt nichts – die Apotheke versorgt die Patientin oder den Patienten somit vollständig auf eigene Kosten. Dies gilt derzeit unabhängig davon, ob der Krankenkasse überhaupt ein Schaden entstanden ist oder die Apotheke den Schaden verschuldet, also beispielsweise auch dann, wenn Ärztin oder Arzt vergessen haben, die Dosierung anzugeben.

6.

Engpass-Ausgleich

Für den zusätzlichen Aufwand bei der Bewältigung von Lieferengpässen muss ein angemessener finanzieller Ausgleich („Engpass-Ausgleich“) geschaffen werden.

Für das Management von Lieferengpässen sind selbst bei zurückhaltenden Schätzungen mindestens sechs Stunden pro Woche pro Apotheke nötig. Der Gesamtstundenaufwand pro Jahr in allen 18.000 Apotheken beträgt 5,62 Mio. Stunden. Bei Arbeitgebervollkosten für pharmazeutisches Personal in Höhe von 75,91 Euro/Stunde ergeben sich Kosten in Höhe von 425 Mio. Euro pro Jahr. Bei etwa 20 Mio. Fällen pro Jahr, bei denen die Apotheken eine sog. Nichtverfügbarkeit dokumentieren müssen, ergibt sich ein Zuschlag von 21,00 Euro, den die ABDA für jeden Austausch fordert.

7.

Beseitigung der finanziellen Risiken aus dem Inkasso des Herstellerrabattes für die Krankenkassen

Für den Fall, dass die Apotheke bei Zahlungsunfähigkeit des pharmazeutischen Unternehmers von diesem keinen Ausgleich für den an die Krankenkasse geleisteten Herstellerabschlag erhält, muss die Krankenkasse zur Rückerstattung des von der Apotheke verauslagten Herstellerrabattes verpflichtet werden.

Die Krankenkassen erhalten für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel, die nicht patentfrei sind und keinem Festbetrag unterliegen, einen Abschlag in Höhe von 12 Prozent des Abgabepreises ohne Mehrwertsteuer von der Pharmaindustrie. Diesen sogenannten Herstellerrabatt müssen die Apotheken vorstrecken. Können die Hersteller nicht zahlen, geht das Geld den Apotheken verloren. Nicht nur, dass die Inkassoleistung der Apotheken nicht honoriert wird, sie tragen auch noch erhebliche finanzielle Risiken.

8.

Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Arzt-Apotheker-Kooperation beim Medikationsmanagement

Es muss eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen werden, dass Vertragsärzt:innen und Apotheken als Leistungserbringer in der Regelversorgung (nicht nur wie bisher in Modellvorhaben wie ARMIN) bundesweit und für Versicherte aller Krankenkassen ein gemeinsames Medikationsmanagement anbieten können.

Pilotprojekte wie die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN) zeigen schon heute, wie sehr Patientinnen und Patienten von einer verbesserten Kooperation der Leistungserbringer profitieren können. Das gemeinsame Medikationsmanagement verbessert die Therapietreue, trägt also dazu bei, dass die eingenommenen Arzneimittel auch die gewünschte heilende Wirkung entfalten. Gleichzeitig unterstützt sie die Arzneimitteltherapiesicherheit, indem zum Beispiel unerwünschte Nebenwirkungen reduziert werden. Neben den deutlich verbesserten Therapieerfolgen führt diese Maßnahme auch zu einer deutlichen Reduzierung der Kosten in der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung, zum Beispiel durch die Vermeidung von Krankenhauseinweisungen.

9.

Einschränkung des Präqualifizierungsverfahrens

Die Apotheken müssen von der Notwendigkeit der Durchführung des Präqualifizierungsverfahrens im Hilfsmittelbereich ausgenommen werden, soweit die Qualität ihrer Leistungserbringung bereits durch andere regulatorische Maßnahmen sichergestellt ist.

Bereits seit 2011 müssen sich Apotheken für die Abgabe von Hilfsmitteln wie zum Beispiel Kompressionsstrümpfen, Bandagen, Spritzen, Kanülen, Katheter, Wundauflagen oder Inkontinenzprodukten präqualifizieren. Für die Apotheken vor Ort zählt die Hilfsmittelabgabe mit zu den wichtigsten Aufgaben der wohnortnahen Gesundheitsversorgung. Aufgrund komplizierter bürokratischer Regelungen ist die Hilfsmittelversorgung für viele Apotheken aber nicht mehr wirtschaftlich, da Qualifizierung und Dokumentation immer mehr Arbeitszeit und damit Geld kosten. Ein Großteil dieser bürokratischen Anforderungen ist auch aus regulatorischer Sicht überflüssig; schließlich müssen sich Apotheken ohnehin an die Apothekenbetriebsordnung halten und die dort genannten Voraussetzungen erfüllen, was durch regelmäßige behördliche Revisionen überprüft wird.

10.

Einzelmaßnahmen zum Bürokratieabbau

Regulatorische Anforderungen, deren Zielsetzung entfallen oder anderweitig gewährleistet ist, sind zu streichen.

Tagtäglich hindern bürokratische Regelungen die Apotheken vor Ort daran, ihren Patientinnen und Patienten schnell und wirksam zu helfen. Vorschriften zur Dokumentation, zum QMS und zur Präqualifikation kosten viel Zeit, die für die Versorgung der Patientinnen und Patienten fehlt. Hinzu kommen bürokratische Aufgaben, die zusätzlich Geld kosten, wie bspw. die Überprüfung von Feuerlöschern oder die regelmäßige Überprüfung ortsveränderlicher elektrischer Geräte durch den Elektriker. Diese Regelungen müssen abgeschafft werden.