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Apothekerschaft: Politisch gestärkt aus der Krise?

Interview mit Thomas Dittrich, DAV-Vorsitzender
Erschienen am 24. Juni 2021 | Letzte Änderung 24. Juni 2021

Seit Jahresbeginn 2021 ist Thomas Dittrich der neue Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV). Nach seiner Wahl definierte Dittrich drei große Ziele für seine Amtszeit: Die Etablierung honorierter Dienstleistungen, die generell wichtige Frage einer angemessenen und auskömmlichen Honorierung apothekerlichen Tuns sowie die Digitalisierung mit dem E-Rezept. Der LAV hat den DAV-Vorsitzenden Thomas Dittrich befragt, mit welchen konkreten Forderungen und Zielen die Apothekerschaft nun politisch aktiv wird – auch mit Blick auf den Bundestagswahlkampf.

Herr Dittrich, der Apothekerschaft ist es mit großem Einsatz gelungen, die Anforderungen der Corona-Pandemie zu gestalten und zu bewältigen. Die Apotheken in Deutschland haben durch ihre Leistungsfähigkeit überzeugt. Das scheint in der Öffentlichkeit und in der Politik angekommen zu sein. Wie können Sie als DAV-Vorsitzender diesen Rückenwind auch politisch nutzen?
Die Apotheken haben seit Beginn der Corona-Pandemie vor mehr als einem Jahr Außergewöhnliches geleistet und wechselnde Herausforderungen sehr kurzfristig gemeistert. Dank frühzeitig eingeführter professioneller Hygienekonzepte lag die Systemverfügbarkeit in der Arzneimittelversorgung immer bei fast hundert Prozent. Ich erinnere mich noch, wie die Tagesschau Ende April 2020 darüber berichtet hat, und der Sprecher den Beitrag tatsächlich mit dem Satz anmoderierte: „Von Apotheken lernen heißt siegen lernen.“ Wir haben gezeigt, dass wir nicht nur eine äußert verlässliche, sondern vor allem flächendeckende Versorgungsstruktur bilden, die für wichtige Aufgaben wie die Verteilung von Schutzausrüstung, die massenhafte Durchführung von Corona-Schnelltests oder die Lieferung von Corona-Impfstoffen in die Arztpraxen unverzichtbar und zudem konkurrenzlos ist. Das gibt mir, dem DAV und der Apothekerschaft insgesamt Rückenwind, wenn es darum geht, unsere berechtigten Forderungen vorzubringen. Und wir können dabei auf das solide Fundament aufsetzen, das Fritz Becker als mein Vorgänger durch seinen unermüdlichen Dialog mit der Politik geschaffen hat.

Mit welchen Forderungen und Wünschen wird die Apothekerschaft den anstehenden Bundestagswahlkampf begleiten?
ABDA, BAK und DAV haben sich im Mai auf drei gemeinsame Kernpositionen zur Bundestagswahl am 26. September 2021 geeinigt, die wir jetzt im Wahlkampf einbringen und gedanklich für die Regierungsbildung nach der Wahl verankern wollen.

Erstens geht es um die Stabilisierung der Apotheke vor Ort. Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, um die Versorgungsstrukturen zu sichern und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Die wirtschaftliche Situation der Apotheken muss verbessert werden, und das Bekenntnis der Politik zum Fremd- und Mehrbesitzverbot sowie zur freien Apothekenwahl muss erneuert werden.

Zweitens wollen wir verstärkt dafür sensibilisieren, dass Arzneimittel besondere Güter sind. Die Trivialisierung von Arzneimitteln – ob durch Versandhandel, Plattformökonomie oder Preisdumping – muss bekämpft werden. Der neutralen Ausgestaltung, Implementierung und Handhabung des E-Rezeptes kommt dabei eine entscheidende Rolle zu.

Und drittens geht es darum, die Potenziale der Apotheken im Gesundheitswesen stärker zu heben. Sie stiften einen unverzichtbaren Nutzen für die Gesellschaft. Ihr Mehrwert muss im Zentrum zukünftiger politischer Entscheidungen stehen. Der DAV muss und wird sich in den kommenden Monaten natürlich vor allem um die wirtschaftlichen Fragen und Perspektiven kümmern. Uns kommt es darauf an, dass die neue Bundesregierung die erkennbar krisenfeste Struktur der öffentlichen Apotheken in Deutschland stärkt. Dabei geht es auch um ganz konkrete Schritte, zum Beispiel darum, die pharmazeutische Beinfreiheit, die man den Apotheken während der Pandemie zugestanden hat, zu verstetigen. Lieferengpässe wird es auch nach der Pandemie geben, deswegen sollten auch die erleichterten Austauschregeln erhalten bleiben.

Mit den Grünen ist ein erstarkter politischer Player mit im Feld – wie gehen grüne Politik und apothekerliche Bedürfnisse zusammen?
Ist das eine Fangfrage aus einem Bundesland mit einem grünen Ministerpräsidenten? Aber Spaß beiseite: Wir stehen mit den Grünen natürlich im Kontakt. Ende März dieses Jahres hatten wir im „ABDA-Talk: Lass uns reden!“ Maria Klein-Schmeink zu Gast, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Daneben hatten wir weitere Gespräche mit Grünen-Abgeordneten, unter anderem auch mit Janosch Dahmen, der selbst Arzt und ebenfalls im Gesundheitsausschuss ist. Dass im Wahlprogramm der Grünen nicht ein einziges Mal das Wort Apotheke vorkommt, ist natürlich ärgerlich. Trotzdem gibt es eine ganze Reihe inhaltlicher Anknüpfungspunkte mit den Grünen: Ihr Leitmotiv in der Gesundheitspolitik ist Prävention. Sie setzen auf regionale Versorgungsstrukturen, fordern eine engere Zusammenarbeit der Heilberufe und wollen eine lokale, umweltschonende und bürgernahe Versorgung. Das alles passt sehr gut zum Profil der Apotheke vor Ort und unseren Vorstellungen eines dezentralen Versorgungssystems. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Grünen gerade im Gesundheitswesen dafür eintreten wollen, dass globale Daten- und Logistikkonzerne die Versorgung der Menschen dominieren und dabei dann Wahlfreiheiten, Datenschutz oder Umweltverträglichkeit auf der Strecke bleiben. Es ist auch Aufgabe der Politik, langfristig Strukturen zu stärken und zu fördern, die krisenfest und unerlässlich für die Versorgung der Bevölkerung sind.

LAV-Mitglieder lesen nach Log-In das ganze Interview mit dem DAV-Vorsitzenden in der aktuellen Ausgabe der LAV-Nachrichten 3_2021.