Der Blick über den Tellerrand

Interview mit Dr. Sebastian Schwintek, Treuhand Hannover, zum Skonto-Urteil und den wirtschaftlichen Aussichten für Apotheken
Erschienen am 25. April 2024 | Letzte Änderung 25. April 2024

 
Dr. Schwintek
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Die Zahl der apothekerlichen Betriebsstätten ist weiter im Sinkflug und hat mittlerweile den niedrigsten Stand seit Jahrzehnten erreicht. Über den Apotheken schweben mehrere Damoklesschwerter: Die unzureichende Honorierung der erbrachten Leistungen hat mittlerweile ein bedrohliches Ausmaß erreicht, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach skizziert in einem Eckpunktepapier Schein-Apotheken und hinzu kam jüngst noch das sogenannte „Skonto-Urteil“. Daneben erschweren Personalnöte und Lieferengpässe den Alltag in den Apotheken – zusätzlich setzen die Apothekenteams die epochale Umstellung auf das E-Rezept um. Bei der Treuhand Hannover ist Dr. Sebastian Schwintek seit gut einem Jahr Mitglied der Geschäftsleitung und er hat seit Juli 2023 von Dr. Frank Diener auch die Position des Generalbevollmächtigten der Treuhand Hannover übernommen.

Herr Schwintek, Sie haben das Ruder der Treuhand bei rauer See für den gesamten Gesundheitsbereich übernommen. Welche Herausforderung macht aus Ihrer Wahrnehmung heraus den Apotheken derzeit die größten Sorgen?
Im Apothekenalltag dominieren sichtbar zunächst beim einzelnen Patientenkontakt Probleme wie Lieferengpässe von Arzneimitteln, Personalmangel und technische sowie organisatorische Probleme im Umgang mit dem E-Rezept. Daneben gibt es aber einen bedrohlichen Langfristtrend: Sinkende Rohgewinne und stetig steigende Kosten lassen die Erträge der Betriebe erodieren. Nicht nur den umsatzschwächeren Betrieben fehlt mittlerweile die Luft zum Atmen, der Trend zieht sich durch sämtliche Umsatzklassen.

Wie lässt sich das zurückliegende Jahr 2023 betriebswirtschaftlich für die Apotheken beschreiben? Gibt es Bereiche, wo der Schuh besonders drückt?
Wir konnten ein durchschnittliches Umsatzwachstum von knapp fünf Prozent verzeichnen. Das klingt erst einmal gut, aber bei näherem Hinsehen ergibt sich ein sehr viel differenzierteres Bild: Fast 30 Prozent der Betriebe hatten nämlich Umsatzrückgänge zu verzeichnen. Und dort, wo dies anders aussieht, bleibt vom Mehrumsatz oft kaum etwas hängen. Grund dafür ist der anhaltende Trend zur Verordnung hochpreisiger Arzneimittel und deren im Verhältnis zum Packungspreis niedrige Marge, aber auch der Druck
auf die Einkaufskonditionen.

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Können Sie daraus eine Prognose für 2024 und womöglich für die weitere Zukunft ableiten?
Das Jahr hat von der Umsatzseite her stark begonnen. Das schützt aber nicht vor weiteren Ertragsverlusten, wie die Entwicklung zeigt. Auf der Einnahmenseite wird viel davon abhängen, ob und zu welchen honorarrelevanten Maßnahmen es noch in diesem Jahr kommt. Angesichts des aktuellen Standes ist es eher unwahrscheinlich, dass erste Maßnahmen schon 2024 greifen. Bleiben die derzeitigen Rahmenbedingungen aber bestehen, könnte das Betriebsergebnis der Durchschnitts-Apotheke im laufenden Jahr nominell stagnieren: Der Umsatztrend von vier bis sechs Prozent Zuwachs dürfte sich weiter fortsetzen. Dafür sorgt nicht nur die demografische Entwicklung, sondern leider auch die Umsatzumverteilung durch die zunehmende Zahl von Apothekenschließungen. Ein Unsicherheitsfaktor bleibt, wieviele E-Rezepte tatsächlich in den Versandhandel abwandern werden.

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Zuletzt hat es zum Jahresbeginn das sogenannte „Skonto-Urteil“ des Bundesgerichtshofs gegeben. Die Treuhand Hannover hat sehr früh eine erste Bewertung der wirtschaftlichen Auswirkung des Urteils abgegeben. Was waren Ihre Ergebnisse? Hat sich zu den ersten Einschätzungen nochmals etwas verändert?
Unsere Experten haben nach den bestehenden Erfahrungswerten aus der Beratung unserer über 3.300 Apotheken-Mandate für die durchschnittliche Apotheke ein Verlustpotenzial von über 22.000 Euro geschätzt. Da Einkaufskonditionen jedoch immer individuell vereinbart werden, kann dieser Wert im Einzelfall niedriger sein oder auch um ein Mehrfaches höher liegen. Letzteres gilt natürlich insbesondere für größere, umsatzstarke Apotheken. Spannend wird jetzt, was davon tatsächlich in der Praxis ankommt. Noch wartet der Großhandel offenbar die Urteilsbegründung ab (Lag zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht vor und erfolgte erst Mitte April). Dann wird der Wettbewerb um neue Konditionsmodelle voraussichtlich dazu führen, dass zur Kompensation der Skontostreichung andere Elemente der Lieferbeziehung diskutiert werden – wie etwa der Handelsspannenausgleich, die Vergütung für bisherige Rabattausschlüsse oder Non-Rx-Ware und die verschiedenen Servicegebühren.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten – an welchen Stellen benötigt die Apothekerschaft gesetzliche oder anderweitig regulatorische Veränderungen, um auch
in Zukunft den Versorgungsauftrag erfüllen zu können?

Die Apotheke wird auch in Zukunft ihren Versorgungsauftrag erfüllen können, wenn die Rahmenbedingungen der Berufsausübung auch für den pharmazeutischen Nachwuchs attraktiv sind. Dafür kann regulatorisch einiges getan werden. Das betrifft in erster Linie den seit mehr als zehn Jahren nicht angepassten Fixzuschlag bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Hier braucht es jenseits von Sofortmaßnahmen einen rechtlich klar strukturierten Anpassungsmechanismus (...). Daneben braucht es eine Entschlackung der bürokratischen Anforderungen, vor allem im Zusammenhang mit der Versorgung der GKV-Versicherten. Hier haben die Verbände mit der Abschaffung des Präqualifizierungsverfahrens für die Versorgung mit apothekenüblichen Hilfsmitteln schon einen beachtlichen Erfolg erzielt, ebenso in Bezug auf die erleichterten Austauschregeln bezogen auf Rabattarzneimittel. (...) Mein dritter Wunsch: Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für die PTA-Ausbildung. Sie sollte flächendeckend angeboten werden können und im Verhältnis zu anderen Ausbildungsberufen wettbewerbsfähig sein. Dafür braucht es ein öffentliches Finanzierungsmodell, das Schulgeldfreiheit und idealerweise eine Ausbildungsvergütung umfasst.

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LAV-Mitglieder lesen das komplette Interview hier.