Benjamin-Rohrer 2023 Qülle-Privat
1

ABDA-Nachwuchskampagne – Starke Motive, kontroverse Diskussionen

Rohrer: Nachwuchsgewinnung ist neben Honorar wichtiges Thema
Erschienen am 22. März 2024 | Letzte Änderung 22. März 2024

Selten wurde über eine ABDA-Kampagne vom Start weg so viel berichtet, selten wurde so vielschichtig diskutiert – kurz: Selten zuvor hat eine Kampagne so viel Aufsehen erregt. Nicht alles Feedback ist positiv und vielen Apotheken gehen die Aussagen der Kampagnenmotive zu weit beziehungsweise in die falsche Richtung. Die LAV-Nachrichten haben die Diskussionen des Berufsstandes aufgegriffen und ein Interview mit Benjamin Rohrer, dem Leiter der ABDA-Pressestelle, zur neuen Nachwuchskampagne geführt.

Herr Rohrer, seit Jahren wird eine schlagkräftige Nachwuchskampagne eingefordert. Nun ist es soweit! Können Sie uns noch einmal die wesentlichen Ziele schildern, die diese Kampagne verfolgt?
Die Apotheken leiden unter einem massiven Fachkräfte- und Nachwuchsproblem. Die Expertinnen und Experten aus dem Geschäftsbereich Pharmazie der ABDA haben prognostiziert, dass für das Jahr 2029 ein Bedarf von bis zu 28.400 Vollzeitstellen besteht. Wird der Beruf wie bisher in starkem Maße in Teilzeit ausgeübt, sind sogar bis zu 33.000 zusätzliche Apotheker:innen erforderlich, um die Arzneimittelversorgung sicherzustellen. Weil bis zum Jahr 2029 aber voraussichtlich nur 20.000 bis 23.000 neue Apothekerinnen und Apotheker approbiert werden, fehlen uns gut 10.000 Fachkräfte und im Worst-Case sogar 13.000 Fachkräfte. Hinzukommt, dass der Apothekerberuf schon seit einigen Jahren in der Fachkräfteengpassanalyse der BA für Arbeit offiziell als Mangelberuf beschrieben wird. Und in all diesen Zahlen sind die Mangelberufe PTA und PKA nicht einmal eingerechnet!
(…)
Unser Ziel ist es daher, berufsunentschlossene Jugendliche in der Altersgruppe zwischen 15 und 19 Jahren in der Lebensphase anzusprechen, in der weichen-stellende Entscheidungen über das spätere Berufsleben zustande kommen. Diese Zielgruppe wollen wir darauf hinweisen, wie schön die Arbeit in der Apotheke vor Ort sein kann: Man berät die Menschen bei dem für sie wichtigsten Thema – ihrer Gesundheit. Dafür erhält man große Wertschätzung und Dankbarkeit der Patientinnen und Patienten. In den Apotheken gibt es flache Hierarchien, hinzukommt die spannende Mischung aus heilberuflichen und kaufmännischen Aspekten.

Was sagt die Hauptzielgruppe zu Ihren Slogans und Visualisierungen? Wurde die Kampagne im Vorfeld auf Akzeptanz getestet - und wenn ja: Mit welchen Ergebnissen?
Ja, natürlich haben wir die grundsätzlichen Aussagen aber auch die konkreten Slogans der Kampagne vorher getestet. Wir haben alle PTA-Schulen in Deutschland angemailt und diese gebeten, eine Umfrage zu unseren Kampagnenplänen an die Schülerinnen und Schüler weiterzuleiten. Ein Ergebnis dieser Umfrage war, dass etwa die Hälfte die Motive und Ideen der Kampagne „gut“ oder sogar „sehr gut“ finden. Rund 75 Prozent waren überzeugt, dass die Kampagneninhalte potenzielle Bewerber:innen aus der Zielgruppe ansprechen. Nur 12 Prozent gaben an, die Kampagneninhalte nicht ansprechend zu finden.

„Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“ So richtig, wie dieser Satz ist: Wie denken Sie über die an vielen Stellen geübte Kritik am sicherlich provokanten Auftritt der Kampagne? Haben Sie damit gerechnet? Sind Sie womöglich mit Slogans wie „Bock auf Ticken“ oder „Deine Oma kauft ihren Stoff bei mir“ über das Ziel hinausgeschossen?
Natürlich merken wir, wie heftig die Kritik derzeit ausfällt. Aufgrund der aktuellen, schwierigen Situation der Apotheken ist es absolut verständlich, dass einige Apothekerinnen und Apotheker auf den ersten Blick nicht verstehen, warum sich ihre Standesvertretung gerade jetzt – in einer angespannten politischen und wirtschaftlichen Situation – so intensiv um das Thema Nachwuchs kümmert. Doch die oben genannten Zahlen verdeutlichen, wie groß das Problem ist. Und zum Zeitpunkt der Kampagne gibt es auch gute Argumente: In den kommenden Monaten, also im Frühjahr, erhalten die Schülerinnen und Schüler ihre Zeugnisse und werden die ersten Entscheidungen hinsichtlich ihres Berufswunsches treffen. Genau in dieser Phase müssen wir die Zielgruppe ansprechen! Mit Blick auf die dramatischen Zahlen (bis zu 13.000 fehlende Fachkräfte bis 2029) wäre es auch nicht möglich gewesen, noch ein oder mehrere Jahre abzuwarten. Hätten wir das getan, wären wir dafür kritisiert worden, das Thema komplett verschlafen zu haben.
(…)

Jede Kampagne lebt auch von ihrer Akzeptanz nach innen. Wie ist hier Ihre Einschätzung? Haben Sie die Akzeptanz bei den Apotheken im Land, diese Kampagne mitzutragen? Wird es Ergänzungen oder Veränderungen in der Kampagnenplanung geben - womöglich aufgrund der vorgebrachten Kritik?
Wie Sie eben richtig beschrieben haben, wollen wir mit der Kampagne ausnahmsweise mal nicht die Apothekenteams ansprechen. Insofern war uns bei der Kampagnenplanung schon einigermaßen klar, dass wir für die Machart der Kampagne aus dem eigenen Lager heftig kritisiert werden könnten. Ich würde mich nur sehr freuen, wenn die Kritik sachlich bleibt und sich an Inhalten orientiert. Ich antworte auf alle Fragen und Hinweise aus den Apothekenteams zur Kampagne – wenn meine Kolleginnen und Kollegen, die Agentur oder ich aber beschimpft oder beleidigt werden, können wir die Kritik nicht ernst nehmen und werden darauf auch nicht eingehen. An einigen Stellen wäre eine sachlichere Diskussionskultur also wünschenswert.
(…)
LAV-Mitglieder lesen das komplette Interview in den LAV-Nachrichten.