Spritze und Gläschen
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Baden-Württemberg fordert Versorgungsreserve für Impfstoffe und Arzneimittel

Nach erneutem Impfstoffmangel verlangen Spitzen des Gesundheitswesens im Land Konsequenzen
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Stuttgart – Der diesjährige Mangel an Grippeimpfstoffen sorgt für Diskussionen im Land. Spitzenvertreter aus dem Gesundheitswesen fordern jetzt Konsequenzen.

Der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, Dr. Christopher Hermann, sieht die Pharmaunternehmen und den Großhandel zwar in der Pflicht, Abhilfe schaffen müsse allerdings der Bund: „Die Impfstoffhersteller haben ihre Zusage an die Politik, die im Zusammenhang mit der Abschaffung der Lieferverträge der Kassen zu Impfstoffen gegeben wurde, nicht eingelöst. An die Stelle der Planungssicherheit ist offensichtlich die Sorge um Überkapazitäten getreten.“ Hermann weiter: „Wir reden hier nicht über irgendwelche Produkte, sondern über unverzichtbare Bestandteile unserer Gesundheitsversorgung. Wenn der Gesetzgeber die Impfstoffhersteller derart aus ihrer Pflicht entlässt, muss er selbst für die Versorgungssicherheit eintreten. Das kann durch Einlagerung von Reservekapazitäten durch den Bund erfolgen.“

Auch Fritz Becker, Präsident des Landesapothekerverbandes, sieht die Lösung in einer nationalen Impfstoff- und Arzneimittelreserve. „Die Apotheken können nur die Impfstoffe ausgeben, die sie bekommen. Offensichtlich scheint das Laissez-faire-System nicht zu funktionieren. Wir fordern daher eine nationale Reserve an wichtigen Impfstoffen und anderen Arzneimitteln, in der wir etwa den Bedarf von mehreren Monaten vorhalten, die Lieferengpässe überbrücken und die hohe Importabhängigkeit in diesem Bereich ausgleichen können. Wir sehen hier die Arzneimittelhersteller und den Großhandel in der Umsetzungspflicht, die Kosten dafür muss der Bund tragen. Für saisonale Impfstoffe muss ein fixer, für alle verbindlicher Zeitplan her, damit die sinnvollen Vorbestellphasen besser genutzt werden können.“

Dr. Norbert Metke, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, bringt den Unmut der Ärzteschaft zum Ausdruck. „Seit diesem Jahr haben wir wieder die gleiche Situation wie vor den Kassen-Lieferverträgen: Es sind nicht genügend Impfstoffe gegen die Grippeviren vorhanden. Aktuell haben unsere Ärzte bereits den Großteil ihrer Impfstoffe verbraucht. Gemeinsam werden wir dafür Sorge tragen, die verfügbaren Restbestände auch entsprechend der Versorgung zukommen zu lassen. So fragen wir die noch vorhandenen Impfdosen bei unseren Mitgliedern ab und stellen die Information über eine entsprechende Plattform unseren Mitgliedern zur interkollegialen Versorgung der zu Impfenden zur Verfügung. Die gleiche Situation kann auch bei anderen Arzneimitteln auftreten. Kritisch wird es, wenn dann keine Alternative verfügbar ist wie etwa bei patentgeschützten Arzneimitteln. Wir haben kein Verständnis, dass es in einem der höchst entwickelten Staaten der Welt nicht möglich ist, ausreichend Impfstoff und Arzneimittel zur Verfügung zu stellen. Wir wollen gar nicht daran denken, was passiert, wenn wir einmal eine plötzliche Epidemie haben. Hier besteht unbedingt dringender Handlungsbedarf.“